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Kommentar

Interview mit Speakers Excellence über Cloud Computing und die Digitale Evolution

Im Juli 2017 wurde ich von Philipp Hagebölling (Speakers Excellence) zu den Themen Cloud Computing und Digitale Evolution befragt.

Herr Büst, Sie sind Experte für Cloud Computing und der führende deutsche Blogger auf diesem Gebiet. Umreißen Sie doch einmal kurz, was wir unter Cloud Computing verstehen dürfen.

Cloud Computing lässt sich als ein Bereitstellungsmodell von IT-Ressourcen (Rechenleistung, Speicherkapazitäten, Software, etc.) beschreiben, auf die ein Nutzer via Datenverbindung (bevorzugt das Internet) zugreifen kann. Hierbei passen sich die Ressourcen dynamisch den jeweiligen Bedürfnissen an.

Wird z.B. mehr Speicherkapazität benötigt, stellt der Anbieter diesen bereit, ohne dass der Nutzer aktiv werden oder zumindest lange darauf warten muss. Darüber hinaus wird beim Cloud Computing nur für die Leistung bezahlt, die während eines bestimmten Zeitraums auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Firmen, bei denen intern wie extern transferierte und gespeicherte Datenmenge starken Schwankungen unterliegen, können durch Cloud Computing hohe Investitionskosten vermeiden. Die Einrichtung einer großen (oft zeitweise brachliegenden) IT-Umgebung wird quasi überflüssig.

Mit Software-as-a-Service (SaaS), Platform-as-a-Service (PaaS) und Infrastructure-as-a-Service (IaaS) werden drei Service-Modelle, mit der Public Cloud, der Private Cloud, der Hybrid Cloud und der Community Cloud vier Bereitstellungsmodelle unterschieden.

Welchen Vorteil bringt die „Cloud“ einem Unternehmen?

Cloud Computing trägt einerseits dazu bei, die Investitionskosten in IT-Umgebungen zu reduzieren. Dabei handelt es sich aber nur um einen Bruchteil der Vorteile, die von der Cloud ausgehen. Viel wichtiger ist jedoch der ständige Zugriff auf State-of-the-Art Technologien und neue Services wie Artificial Intelligence. Etwas das innerhalb von selbst betriebenen On-Premise-Umgebungen nicht möglich ist. Weiterhin ist die Skalierbarkeit und Elastizität von Cloud Computing essentiell, um auf die wechselnden Marktbedingungen und Kundenanfragen flexibel reagieren zu können. Cloud-Services sollten zudem in die Business-Strategie mit eingezogen werden. Vor allem für diejenigen Unternehmen, die auch in anderen Ländermärkten als nur Deutschland aktiv sind oder international expandieren wollen. Cloud Computing erleichtert es, die globale Reichweite mit einfachen Mitteln zu erhöhen, da die großen Public Cloud-Anbieter mittlerweile in allen wichtigen Regionen weltweit mit lokalen Rechenzentren vor Ort sind.

Software-as-a-Service zählt zu den Low-Hanging Fruits im Cloud-Umfeld. Hiermit lässt sich prinzipiell auf jegliche Art von Software über den Browser zugreifen. Beliebte Lösungen, die Unternehmen bevorzugt einsetzen sind typischerweise Office, E-Mail und CRM. Aber auch ERP und HR-Lösungen werden zunehmend beliebter.

Platform-as-a-Service eigenen sich am besten für die Entwicklung von SaaS- und Cloud-Applikationen aber auch für die Cross-Integration zwischen verschiedenen Cloud-Lösungen (iPaaS).

Infrastructure-as-a-Service kommt bevorzugt für den Betrieb dynamischer Infrastrukturen zum Einsatz. Auf Grund des hohen Freiheitsgrades hinsichtlich Technologien und Konfigurationsmöglichkeiten ist IaaS derzeit aber weiterhin die bevorzugte Wahl, wenn es um die Entwicklung neuer digitaler Produkte, Software (SaaS) und Services geht.

Die „Cloud“ wurde in der Vergangenheit des Öfteren als Sicherheitsrisiko bezeichnet. Wie wird vermieden, dass die gespeicherten Daten nicht in falsche Hände gelangen?

Die Krux ist, geht es um das Thema Sicherheit, werden leider immer wieder zwei Begriffe vermischt, die grundsätzlich unterschieden werden müssen: Die Datensicherheit und der Datenschutz.

Datensicherheit bedeutet die technischen und organisatorischen Maßnahmen umzusetzen, um Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Integrität der IT-Systeme sicherzustellen. Public Cloud-Anbieter bieten weit mehr Sicherheit, als es sich ein deutsches mittelständisches Unternehmen leisten kann. Das hängt damit zusammen, dass Cloud-Anbieter gezielt in den Aufbau und die Wartung ihrer Cloud Infrastrukturen investieren und ebenfalls das dafür notwendige Personal beschäftigen und die entsprechenden organisatorischen Strukturen geschaffen haben. Hierzu werden jährlich Milliarden von US-Dollar in die Hand genommen. Es gibt nur wenige Unternehmen außerhalb der IT-Branche, die in ähnlicher Weise in IT-Sicherheit investieren können und wollen.

Beim Datenschutz geht es um den Schutz der Persönlichkeitsrechte während der Datenverarbeitung und den Schutz der Privatsphäre. Dieses Thema sorgt bei den meisten Unternehmen für die echten Kopfschmerzen. Denn beim Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz macht der Gesetzgeber kurzen Prozess. Es geht zunächst also darum, den Cloud-Anbieter für die Einhaltung der im §9 festgehaltenen Regeln im Bundesdatenschutzgesetz in die Verantwortung zu nehmen und dies selbst auf Basis von §11 zu überprüfen. Für die Erfüllung von §11 empfiehlt es sich auf die Gutachten von Wirtschaftsprüfern zurückzugreifen, da kein Anbieter jeden Kunden einzeln ein Audit durchführen lassen kann. Der Datenschutz ist ein absolut wichtiges Thema, schließlich handelt es sich dabei um sensibles Datenmaterial. Es ist aber in erster Linie ein rechtliches Thema, was durch Maßnahmen der Datensicherheit gewährleistet werden muss.

Welche Prozesse vereinfacht das Cloud Computing?

Cloud Computing vereinfacht nicht einen einzigen Prozess. Das ist ein fataler Trugschluss. Die Cloud macht alles nur noch schlimmer. Denn sie bringt jede Menge neuer Prozesse mit sich und stiftet, wenn man es genau nimmt, erst einmal Unordnung. Andererseits ist sie die notwendige Bedingung, um Innovationen zu schaffen. Schritt 1 ist deshalb: mit Cloud-Infrastruktur, die ihrerseits für die notwendige Integration sorgt, das richtige Fundament legen. Anschließend lassen sich darauf die ersehnten neuen Prozesse gestalten. Aber: Die Konfigurationsaufwände dafür sollte man tunlichst nicht unterschätzen. Und für Einsteiger ist es als Lernprozess sicher erst einmal besser, die „schnelle Ernte“ einzufahren und mit kleinen, schnell umsetzbaren Lösungen, etwa als Software-as-a-Service, zu beginnen.

Und auch wenn mittlerweile alle Berater den Weg in die Cloud vorschreiben, warne ich vor blindem Aktionismus. Es ist nicht zielführend, bei Prozessverbesserungen von der Technologieseite zu kommen, das kann nach hinten losgehen. Technologie kann Ideen bringen, keine Frage. Aber sie ist auch immer nur Mittel zum Zweck.

Welche Auswirkungen wird die digitale Welt in den nächsten zehn Jahren auf unsere Gesellschaft haben?

Die Digitalisierung ist in vollem Gange und wird vor keinem Bereich unserer Gesellschaft haltmachen. In Deutschland steht unsere Industrie derzeit zwar weltweit noch gut da. Doch im weltweiten Vergleich tut sich Deutschland insgesamt schwer oder ist gar dabei den Anschluss zu verpassen. Ein Grund: meiner Ansicht nach fehlt in Deutschland die Risikobereitschafft. Es wird ständig zu lange gewartet, bis Best Practices vorhanden sind. Dann wird diskutiert. Dann werden Probleme/ Ausreden und künstliche Hürden (Thema: Datenschutz) herbeigezaubert. Und wenn man sich dann durchgerungen hat etwas zu starten, ist es zu spät und die Marktanteile sind vergeben oder der Mitbewerb aus Übersee ist technologisch meilenweit entfernt.

Ein Nachzügler zu sein ist ja per se nichts Schlimmes. Das ist aber nur dann sinnvoll, wenn man als Copycat á la Samwer schlichtweg einen Exit sucht. Aber ernsthafte Innovationen schafft man anders…

Ich hoffe daher nur, das Deutschland beim Thema Artificial Intelligence nicht auch wieder den Anschluss verliert. Das ist technologisch als auch strategisch ein immens wichtiges Thema für jedes deutsche und europäische Unternehmen, um das bestehende Geschäftsmodell und die dazugehörigen Produkte und Services zu erweitern und den Kunden noch mehr in den Mittelpunkt des Interesses zu stellen. Als Kunden liefern wir Anbietern mittlerweile jede Menge Daten, die gewinnbringend für uns genutzt werden können, um uns einen besseren Service zu bieten.

Hinsichtlich Trends sollten man etwas im Blick behalten, was ich als “Digital Correlation” bezeichne. Denn Trends wie Cloud Computing, Artificial Intelligence, Internet of Things, Data Analytics, Fog Computing und Blockchain spielen sehr eng miteinander zusammen und würden ohne einen anderen Trend wohlmöglich gar nicht existieren.

Außerdem reicht es heute nicht mehr, einfach nur den nächsten Megatrend nachzulaufen. Das Gesamtbild ist entscheidend und wie man selbst daran partizipieren kann und sollte.

Das Interview ist am 20. Juli 2017 zuerst unter “René Büst im Interview” erschienen.

By Rene Buest

Rene Buest is Gartner Analyst covering Infrastructure Services & Digital Operations. Prior to that he was Director of Technology Research at Arago, Senior Analyst and Cloud Practice Lead at Crisp Research, Principal Analyst at New Age Disruption and member of the worldwide Gigaom Research Analyst Network. Rene is considered as top cloud computing analyst in Germany and one of the worldwide top analysts in this area. In addition, he is one of the world’s top cloud computing influencers and belongs to the top 100 cloud computing experts on Twitter and Google+. Since the mid-90s he is focused on the strategic use of information technology in businesses and the IT impact on our society as well as disruptive technologies.

Rene Buest is the author of numerous professional technology articles. He regularly writes for well-known IT publications like Computerwoche, CIO Magazin, LANline as well as Silicon.de and is cited in German and international media – including New York Times, Forbes Magazin, Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Wirtschaftswoche, Computerwoche, CIO, Manager Magazin and Harvard Business Manager. Furthermore Rene Buest is speaker and participant of experts rounds. He is founder of CloudUser.de and writes about cloud computing, IT infrastructure, technologies, management and strategies. He holds a diploma in computer engineering from the Hochschule Bremen (Dipl.-Informatiker (FH)) as well as a M.Sc. in IT-Management and Information Systems from the FHDW Paderborn.