Es wird viel über Cloud Services und deren Anbieter gesprochen und geschrieben. Dabei bleiben jedoch die treibende Kräfte hinter den Angeboten meistens im Schatten. Allerdings sind es gerade sie, die entscheidenden Anteil an der Entwicklung haben. In diesem Interview beantwortet Holger Sirtl aus dem Microsoft Windows Azure Team 10 Fragen zum Thema Cloud Computing.
Holger, stell Dich bitte kurz vor.
Gerne. Mein Name ist Holger Sirtl. Seit ca. 5 Jahren bin ich jetzt bei Microsoft beschäftigt und dort als sogenannter Architect Evangelist zuständig für die Themen Cloud Computing und Windows Azure Platform. Eine wirklich spannende Aufgabe.
Microsoft ist neben den Office- und Collaborationstools mit Windows Azure in der Cloud präsent. Kurz Zusammengefasst, was sind die Stärken von Windows Azure?
Windows Azure ist Microsofts Platform-as-a-Service-Angebot, d.h. die Windows Azure Platform fasst verschiedene Dienste zusammen, die von Entwicklern dazu genutzt werden können, eigene Cloud-basierte Anwendungen zu schreiben und in der Cloud zu betreiben. Die Dienste sind dabei so gehalten, dass sie möglichst einfach genutzt werden können. Dadurch können sich Entwickler wirklich auf ihre Kernaufgabe – das Schreiben von Software – fokussieren. Fragen der zugrundeliegenden Infrastruktur, wie das Konfigurieren virtueller Maschinen, oder des Betriebs wie das Einspielen von Betriebssystem-Upgrades oder Hotfixes bleiben dem Entwickler erspart. Das übernimmt alles die Plattform vollautomatisch.
Welche Funktion in Windows Azure ist für Dich das Highlight?
Natürlich umfasst die Plattform viele tolle Services. Wenn ich aber einen Dienst herauspicken soll, dann vielleicht den Access Control Service, da an ihm das Wesen von „Platform-as-a-Service“ besonders deutlich wird. Du brauchst Authentifizierung über Facebook-ID oder Windows Live ID in Deiner Anwendung? Kein Problem: mit wenigen Mausklicks ist der Access Control Service konfiguriert und in Deine eigene Anwendung – übrigens egal wo sie letztlich betrieben wird – integriert. Programmierung ist dann nur noch zur Auswertung der vom Access Control Service ausgestellten Security Token notwendig.
Werden wir mal generischer. Was sind für Dich DIE Hauptargumente Cloud Computing einzusetzen?
Die Wesensmerkmale der Cloud, d.h. bedarfsgerechte Bereitstellung von quasi beliebig vielen IT-Ressourcen, nutzungsabhängige Abrechnung, standardisierte Zugriffsschnittstellen geben bereits Hinweise auf deren Vorteile: Die Cloud bietet die Möglichkeit, in kürzester Zeit, ohne Vorab-Investitionen IT-Ressourcen zu nutzen und diese Nutzung bei Ende des Bedarfs auch sofort wieder einzustellen. Man zahlt nur für das, was man verbraucht. Durch die Standard-Schnittstellen (z.B. RESTful Services) wird die Nutzung denkbar einfach. Heißt also: wann immer man sich keine großen Gedanken über Kapazitätsplanung machen möchte oder eine solche Planung schwer durchführbar ist (weil man entweder die zukünftige Last schwer abschätzen kann oder die Last stark schwanken wird und man nicht unnötig Ressourcen für vermeintliche Spitzenlasten vorhalten möchte) kann die Cloud ihre Stärken ausspielen. Und das bei minimalem Kostenrisiko für den Nutzer.
Zu Beginn des Cloud Computing Zeitalters war der Tenor, auf Grund von Kosten, Flexibilität etc. Public Clouds zu nutzen. In Private Clouds hingegen würde kein nennenswerter Vorteil gesehen, da die Komplexität im eigenen RZ bleibt bzw. noch erhöht wird. Diese Stimmung hat sich bzgl. Datenschutzthemen etc. geändert. Wie stehst Du zu dem Thema Private oder Public Cloud? Ist die Hybrid Cloud der goldene Mittelweg?
Das Konzept der Private Cloud, d.h. Einsatz von Cloud Technologien (Virtualisierung, automatisierte Provisionierung von IT-Ressourcen etc.) im eigenen Rechenzentrum hat durchaus seine Daseinsberechtigung. Es gibt Fälle, in denen rechtliche Vorgaben oder branchenspezifische Regelungen (z.B. in der Finanzbranche) den Speicherung und Verarbeitung von Daten im eigenen Rechenzentrum erzwingen. Die Private Cloud kann jedoch nicht alle zuvor genannten Stärken der Cloud ausspielen. So sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt durch die Infrastruktur des eigenen Rechenzentrums. Darüber hinaus fallen Kosten an, die unabhängig von der tatsächlichen Nutzung sind. Sofern die Nutzung gut berechenbar ist (weil z.B. eine gleichmäßige Last auf den Systemen zu erwarten ist) ist dies aber vertretbar. Als Fazit würde ich deshalb formulieren „Public Cloud wo möglich, Private Cloud wo nötig“. Eine Kombination aus Public und Private Cloud ist deshalb in der Tat ein guter Mittelweg. Allerdings werden sich meiner Meinung nach langfristig die Public Cloud Angebote durchsetzen.
PaaS wird im Vergleich zu IaaS und SaaS der größte Wachstumsmarkt in den nächsten Jahren zugesprochen. Woran liegt das Deiner Meinung nach?
Ich denke, auf Infrastruktur-Ebene werden wir in den nächsten Jahren durch Standardisierung der Angebote eine Konsolidierung sehen. Dies hat zur Folge, dass sich Anbieter auf dieser Ebene kaum mehr voneinander differenzieren können und der Wettbewerb primär über den Preis der angebotenen Dienste stattfindet. In der Folge werden die Anbieter zunehmend Dienste auf einer höheren Abstraktionsebene, der Plattform-Ebene, sehen. Die Bereitstellung derartiger Plattform-Dienste wird dabei nicht nur von den großen Cloud-Anbietern sondern auch von vielen anderen Software-Herstellern, die auf die jeweiligen Plattformen aufsetzen, erfolgen. Hier tut sich also ein großer Markt mit entsprechenden Wachstumsprognosen auf. Auf der Software-Ebene sehe ich übrigens durchaus auch ähnliches Wachstum.
Welche weitere Servicesart neben PaaS, IaaS und SaaS wird sich in Zukunft Deiner Meinung nach entwickeln und eine wichtige Rolle spielen?
Das hängt ein wenig davon ab, wie eng oder weit man die genannten Konzepte fasst. Neben diesen Diensten sehe ich noch Potenzial für Integrationsdienste die die Brücke zwischen heterogenen Cloud-Services verschiedener Provider schlagen können. Auch für Business-Process-as-a-Service, d.h. die Weiterentwicklung von SaaS-Diensten zu geschäftsprozessorientierten Diensten sehe ich einen Markt.
Das Thema Closed Source vs. Open Source wird seit Jahren diskutiert. Nun zielt die Thematik ebenfalls auf Cloud Infrastrakturen ab. Wie stehst du zu dem Thema bezogen auf Clouds?
Serviceorientierung ist ein weiteres Wesensmerkmal der Cloud. Zugriff auf die Funktionalität der Services erfolgt über Standardschnittstellen, die innere Funktionsweise der Services ist für die Nutzung irrelevant, d.h. liegt in der Verantwortung des Service Providers. Hier liegt das Optimierungspotenzial für den Provider und auch die Möglichkeit, Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Aus diesem Grund liegt es nicht unbedingt im Interesse des Providers, Implementierungsdetails (also auch den Sourcecode) offenzulegen. Das Spiel kann sich ändern, wenn bei der Optimierung ein gewisses Maximum erreicht ist, d.h. Wettbewerbsvorteile kaum mehr erzielt werden können. Dann kann es ein Weg sein, Code offenzulegen, um der eigenen Technologie zu größerer Verbreitung zu verhelfen. Dies ist etwas, was wir im Infrastrukturbereich beobachten. Es ist durchaus interessant, über den Aufbau von Clouds mit Open Source Technologien nachzudenken. Dabei bewegen wir uns allerdings typischerweise im Private-Cloud-Umfeld mit den bereits genannten Einschränkungen.
Microsoft hat sich vor längerer Zeit auch stückweit für das Thema Open Source geöffnet. Wird es Bestrebungen geben, dass sich MS auch in der Cloud für Open Source öffnet oder wäre das zu weit hergegriffen?
Ich denke, Microsoft hat sich dem Thema nie wirklich komplett verschlossen. Tatsächlich sollte man nicht vergessen, dass die große Mehrheit an Open Source Software auf Microsoft-Betriebssystemen läuft. Und hier fügt sich Windows Azure absolut ein. Es ist absolut möglich und willkommen, beispielsweise .NET-, Java- oder PHP-basierte Open Source Software auf Windows Azure zu betreiben. Die Differenzen mit der Community begründen sich wahrscheinlich mit der Tatsache, dass dort Open Source oft gleichgesetzt wird mit der Offenlegung des Sourcecodes oder kostenlosen Bereitstellung des Betriebssystems. Dies ist aktuell bei Windows Azure ebenso wenig gegeben wie bei den anderen Microsoft-Betriebssystemen.
Bisher werden die Office- und Collaborationtools in der Cloud mehr gepushed als Windows Azure. Was können wir in Zukunft von Microsoft noch in der Cloud erwarten?
Dass die Office- und Collaborationtools rund um Office365 sichtbarer vermarktet werden, liegt womöglich daran, dass die Zielgruppe (Fachanwender) breiter gestreut ist als dies bei Windows Azure (Zielgruppe Entwickler) der Fall ist. Von der Bedeutung her sind beide Services gleichwertig. In der Tat ergeben sich in der kombinierten Nutzung von Office365 und Azure ja auch interessante Szenarien. Microsoft ist absolut „Cloud-ready“. Entsprechend werden auch alle Services weiterentwickelt. Azure wird weitere Plattformdienste erhalten, bestehende werden weiterentwickelt. Zum Teil sind Weiterentwicklungen ja auch schon in Form sogenannter Community Technology Previews zugreifbar (z.B. SQL Azure DataSync oder SQL Azure Reporting Services). Darüber hinaus wird Microsoft weiter an der „Symmetrie“ von Cloud und vor-Ort-IT arbeiten. D.h. alle Werkzeuge, Anwendungen, Anpassungen etc., die in der Cloud laufen, werden auch lokal laufen (und umgekehrt). Damit überlässt es Microsoft seinen Kunden und Partnern, den bestgeeigneten Ausführungsort für IT zu bestimmen.