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Fressen oder gefressen werden: Herzlich Willkommen im Hotel California der Artificial Intelligence

Im Jahr 1977 haben die Eagles „Hotel California“ veröffentlicht. Einen Song über Drogen und die Auswirkungen einer Abhängigkeit auf Menschen. Setzen wir die Textpassage “We are all just prisoners here, of our own device” in den Kontext unseres heutigen digitalen Lebensstils, finden wir darin jede Menge Wahrheit. Es gibt gute Gründe, warum uns Google den Großteil seiner Dienste kostenlos zur Verfügung stellt, oder warum Amazon will, dass jeder von uns ein Echo zu Hause hat, oder warum Facebook zum Verzeichnis unserer „Freunde“ geworden ist. Was im ersten Moment sehr praktisch erscheinen mag ist eine Gefahr. Es ist eine Gefahr für die Endverbraucher aber auch eine Gefahr für renommierte Unternehmen – in Neudeutsch auch als Old Economy bezeichnet. Und auch wenn wir auschecken können, wann immer wir wollen – wir werden niemals gehen.

Das Festmahl der Datenkraken

Nach nun mehr zwei Dekaden sammeln die Internet Giganten – Amazon, Google, Facebook, Alibaba und Baidu – weiterhin Tonnen an Daten, um ihre Datenbanken mit Informationen von jedermanns Wissen, Meinungen, Empfehlungen, Aufenthaltsorte, Bewegungen, Kaufverhalten, Beziehungsstatus, Lebensstile usw. zu befüllen. Dabei handelt es sich um kein Geheimnis und neu ist dieser Zustand schon gar nicht. Zudem ist auch kein Ende in Sicht. Ganz im Gegenteil. Fast jeden Monat erscheinen neue Dienste oder Endgeräte, um für ein besseres Nutzererlebnis zu sorgen, unser Leben bequemer zu machen und unsere Dosis der digitalen Abhängig zu erhöhen.

Amazon, Google, Facebook und Co. sind in unserem Leben allgegenwärtig geworden. Und Dank des Internet of Things wird die Lücke zwischen unserem analogen und digitalen Leben ständig kleiner. Nachdem die Internet Giganten eine gewaltige Menge an Diensten bereitgestellt haben, um uns an den Web-Haken beziehungsweise den Endgeräte-Haken – anhand von Smartphones und Tablets – zu bekommen, machen sie es sich nun in unserem zu Hause bequem.

Smart Home Lösungen wie Nest, Tado oder Netatmo sind nur der Anfang einer neuen Art von Geräteklasse, die zu den Augen in unseren privaten Umgebungen werden, welche zuvor nicht mit dem Internet verbunden waren und hierüber in die Greifarme von Google & Co gelangen. Intelligente Private Assistenten wie Amazon Echo oder Google Home sind der nächste Evolutionsschritt, die genutzt werden können, um Smart Home Lösungen zu steuern oder unser Leben einfacher machen, indem wir unsere Stimme nutzen. Kleine Randbemerkung: Wir sollten das Wort „Intelligent“ in diesem Zusammenhang mit Vorsicht verwenden, da es sich bei den Kommandos über vordefinierte Skripte handelt. Außerdem muss ich ehrlich sagen, dass ich nicht den Eindruck habe, das weder Apple’s Siri noch Amazon’s Alexa (die Artificial Intelligence (AI) Engine hinter Echo) derzeit von meinen Interaktionen lernen.

Jedoch zeigt uns diese technologische Entwicklung eine wichtige Erkenntnis: Amazon, Google & Co finden neue Wege, um uns über andere Kanäle an sich zu binden. Darüber Daten, Informationen und Wissen zu sammeln, welche sie benötigen, um bessere Entscheidungen zu treffen und uns bessere Antworten zu liefern. Hierfür verfolgen sie einen ganz klaren Zweck. Jeder von uns wird schlichtweg dafür genutzt, um deren Artificial Intelligence auf einer täglichen Basis zu trainieren. Das bedeutet, dass alle Services, welche Google & Co. Ihren Kunden anbieten, das Ziel verfolgen, eine Landkarte der Welt zu zeichnen, die auf den gesammelten Daten basiert.

Auswirkungen auf den Endverbraucher: Komfort im Hamsterrad

Endverbraucher können sich im Grunde genommen nicht beschweren. Getreu dem Motto „Quid pro quo“, stellen insbesondere Google und Facebook ihre Dienste kostenlos zur Verfügung und nehmen dafür Daten als Gegenleistung. Hierbei spielt ihnen die digitale Sucht perfekt in die Karten. Endverbraucher haben in das “Hotel California” eingecheckt. Und auch wenn sie jeder Zeit wieder auschecken können, stellt sich die Frage, wollen sie gehen?

Die tragische Antwort auf diese Frage ist nein. Befindet man sich erst einmal in dieser Spirale ist es sehr schwierig oder gar unmöglich sie zu verlassen. Der Grund besteht darin, dass alles digitalisiert wird. Unsere Gesellschaft wird an einen Punkt gelangen, an dem nichts mehr ohne digitale Dienste funktionieren wird. Man könnte auch sagen, dass eine Person, die digital nicht existiert, überhaupt nicht mehr existiert. Und indem das Nutzererlebnis ständig angenehmer wird, muss niemand ein Technologie-Experte mehr sein. Dies macht den Einzug in die „Hotel California“ Falle nur noch schlimmer, da die Mehrheit unserer Gesellschaft überhaupt nicht weiß, wie welche Dinge miteinander verknüpft sind, was technologisch im Hintergrund vor sich geht, geschweige denn was gerade wirklich passiert. Komfort im Hamsterrad.

Unterm Strich liefert das Hamsterrad alle unsere Daten, welche die Grundlage für den Erfolg von Google & Co. bilden und als Waffen gegen die renommierten Unternehmen eingesetzt werden.

Auswirkungen auf renommierte Unternehmen: Verändern, Innovationen schaffen oder Sterben

Der sarkastische Teil dieser Geschichte besteht darin, dass jeder von uns Google & Co. bei ihrem Kampf gegen die Old Economy unterstützt, sogar die Old Economy selbst. Unternehmen der Old Economy sind ebenfalls zu den Kunden der Internet Giganten geworden. Aus einem guten Grund. In den meisten Fällen macht es keinen Sinn mehr, eine eigene IT-Infrastruktur oder Dienste in eigenen Umgebungen zu betreiben. Oder es ist einfach zu teuer, innovative Dienste selbst zu entwickeln, die bereits von Amazon, Google & Co. entwickelt wurden. Allerdings befinden sich renommierte Unternehmen in einem Teufelskreis. Denn auch wenn sie weiterhin die Besitzer ihre Daten sind – aus einer rechtlichen Perspektive – bedeutet dies nicht, dass sie der exklusive Besitzer des Wissens sind, welches aus diesen Daten entsteht.

Daten und Erkenntnisse aus Daten sind die Grundlage, auf welcher die Internet Giganten Teile ihres Geschäfts aufgebaut haben. Sie arbeiten mit Daten und monetisieren diese. Allerdings handelt es sich dabei nur um einen Teil einer großen Maschinerie, wie die Internet Giganten funktionieren. Aber dieser eine Teil gibt ihnen die Macht, quasi jedes funktionierende Geschäftsmodell der Old Economy anzugreifen. Amazon ist nur ein Beispiel, das bereits damit begonnen hat, die Zwischenhändler in der eigenen Lieferkette aus dem Weg zu räumen. Wir können sicher sein, dass Unternehmen wie DHL, UPS oder FedEx in Zukunft ihre Geschäfte anders machen werden als heute – Hinweis: Amazon Prime Air. Weiterhin hat Amazon alles in die Wege geleitet, um ein vollständiger Ende-zu-Ende Anbieter von Gütern zu werden. Digital wie auch nicht Digital.

Geht es um Artificial Intelligence – die Internet Giganten umarmen diese Technologie vollständig. Allerdings unterschätzen immer noch viel zu viele Führungskräfte, welche Auswirkungen dies auf ihr eigenes Unternehmen haben wird. Zur selben Zeit investieren die Internet Giganten in hohem Maße in Artificial Intelligence. Und insbesondere die Unternehmen der Old Economy werden zu den großen Verlierern in diesem Spiel gehören.

By Rene Buest

Rene Buest is Gartner Analyst covering Infrastructure Services & Digital Operations. Prior to that he was Director of Technology Research at Arago, Senior Analyst and Cloud Practice Lead at Crisp Research, Principal Analyst at New Age Disruption and member of the worldwide Gigaom Research Analyst Network. Rene is considered as top cloud computing analyst in Germany and one of the worldwide top analysts in this area. In addition, he is one of the world’s top cloud computing influencers and belongs to the top 100 cloud computing experts on Twitter and Google+. Since the mid-90s he is focused on the strategic use of information technology in businesses and the IT impact on our society as well as disruptive technologies.

Rene Buest is the author of numerous professional technology articles. He regularly writes for well-known IT publications like Computerwoche, CIO Magazin, LANline as well as Silicon.de and is cited in German and international media – including New York Times, Forbes Magazin, Handelsblatt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Wirtschaftswoche, Computerwoche, CIO, Manager Magazin and Harvard Business Manager. Furthermore Rene Buest is speaker and participant of experts rounds. He is founder of CloudUser.de and writes about cloud computing, IT infrastructure, technologies, management and strategies. He holds a diploma in computer engineering from the Hochschule Bremen (Dipl.-Informatiker (FH)) as well as a M.Sc. in IT-Management and Information Systems from the FHDW Paderborn.