Auch der deutsche Bundestag hat sich mit dem Thema Cloud Computing bereits beschäftigt. Vielmehr mit dem Begriff Cloud Computing.
Auch wenn die Definition seit längerem abgeschlossen wurde und dazu übergegangen wird Lösungsansätze für den Unternehmenseinsatz aufzuzeigen, ist es dennoch interessant zu lesen, wie die deutsche Bundesregierung den Begriff im Jahr 2010(!) sieht.
Die Informationstechnologie (IT) unterliegt einem raschen Bedeutungswandel und beeinflusst
inzwischen – sichtbar oder unbemerkt – alle Lebensbereiche. Zwei klassische Modelle der Datenverarbeitung
dominierten bislang: Zum einen das seit vielen Jahren bewährte zentrale Mainframe-Modell (Hochleistungscomputer in Rechenzentren) und zum anderen das neuere Client/Server-Modell (Personal Computer in Verbindung mit zentralen Servern). Als nächster Entwicklungsschritt ist nun ein drittes Modell hinzugekommen: Das sogenannte Cloud Computing, das der rasant zunehmenden Zahl von Einheiten und Geräten mit Internetanschluss und der immer stärkeren Präsenz von IT im beruflichen und persönlichen Lebensumfeld besser gerecht werden soll. Software und Daten werden nicht mehr lokal bearbeitet bzw. gespeichert (z.B. auf einem Tischrechner), sondern auf einer externen Infrastruktur. Grundprinzip ist das Auslagern von Software- oder sogar Hardwarefunktionen der Anwender, so dass in vielen Fällen gar nicht
mehr genau feststellbar ist, wo sich die ausgelagerten Informationen oder Anwendungen „in der Wolke” befinden. Die zugrundeliegende Technologie ist nicht neu, doch die Konsequenzen für die Geschäftsmodelle von IT-Anwendern und -Anbietern sind kaum zu überschätzen: ITLeistungen werden in Echtzeit als Service über das Internet bereitgestellt und nach Nutzung abgerechnet. Der Zugriff selbst erfolgt in der Regel über eine allgemeine verfügbare Standardanwendung, zumeist einen Webbrowser.
Vorreiter der Cloud-Entwicklung sind die zahlreichen Gratisangebote im Internet: Millionen
Menschen nutzen netzgestützte eMail-Dienste wie Google Mail oder Web.de oder lagern Urlaubsbilder auf Plattformen wie Picasa oder Flickr. Inzwischen verlagern auch immer mehr Unternehmen ihre Daten, Anwendungen und Netze auf Server-Farmen von Anbietern wie Amazon, Google, IBM oder Microsoft. Nach einer Schätzung der International Data Corporation (IDC) wird der Branchenumsatz europäischer Clouddienste von 971 Millionen Euro im Jahre 2008 auf etwa 6 Milliarden Euro im Jahre 2013 ansteigen. Abhängig von der Art der Dienstleistung unterscheidet man Infrastructure-as-a-Service („IaaS“ – z. B. Speicherplatz über das Internet), Platform-as-a-Service („PaaS“ – z. B. Bereitstellung von Entwicklertools über das Internet) und Software-as-a-Service („SaaS“ – z. B. Nutzung einer Applikation über das Internet). Unter Betriebs-, Eigentums- und Organisationsaspekten können Private Clouds (für eine geschlossene Nutzergruppe) und Public Clouds (für eine große Anzahl verschiedener Nutzer) unterschieden werden. In der Realität finden sich überwiegend Nutzungskombinationen von Private Clouds, Public Clouds und traditioneller IT-Umgebung (Hybrid Clouds).
Cloud Computing ist im Kern eine Outsourcing-Technik, bei der bisher typischerweise organisationsintern erledigte Aufgaben an ein externes Unternehmen vergeben werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Nutzer müssen Server und Softwarelösungen nicht selbst anschaffen, sondern mieten die nötigen Kapazitäten für Daten, Rechenleistung und Anwendungen bei professionellen Anbietern. Aus Investitionen werden somit variable Kosten. Dies spart Geld und Aufwand und sorgt außerdem für hohe Flexibilität. Hinzu kommt die Reduzierung der Personalkapazitäten durch den zu erwartenden geringeren Verwaltungsaufwand von Hard- und Software-Bereitstellung. Personal- und kostenintensive Test- und Implementierungsphasen lassen sich vermeiden. Gleichzeitig sinkt der Bedarf an technischer Infrastruktur-Expertise. Den Vorteilen stehen jedoch auch Nachteile gegenüber. Diese betreffen vor allem Sicherheit und Zuverlässigkeit der Cloud-Dienstleistungen. Probleme zeigen sich unter Umständen auch beim Wechsel zu einem anderen Anbieter (Lock-In-Effekt). Die Interoperabilität zwischen den Cloud Services muss deshalb sichergestellt werden, damit ein Cloud Computing-Nutzer nicht dauerhaft an einen einzelnen Anbieter gebunden ist. Als weitere Schwachstelle gilt die fehlende Kontrollierbarkeit der Daten auf den fremden Servern. Hinzu kommt das Problem der Absicherung des Zugriffs auf die Daten beim Transfer zwischen Nutzer und dem web-basierten Server.
Inzwischen setzen auch öffentliche Verwaltungen – nicht zuletzt aus Kostengründen – auf die Datenverarbeitung in der Cloud. Kürzlich hat die Stadt Los Angeles begonnen, das bestehende EMail-System sowie weitere Anwendungen durch Online-Bürosoftware von Google zu ersetzen. Die Strategie der US-Regierung ist darauf ausgerichtet, Cloud Computing für die Modernisierung der Verwaltungsinfrastrukturen aller Staatsebenen zu nutzen. Der neue Chief Information Officer (CIO) der Obama-Administration, Vivek Kundra, hat mit „Apps.gov“ eine neue Website gestartet, auf der Regierungseinrichtungen zertifizierte Cloud-Computing-Dienste buchen können. Auch in anderen Ländern gibt es inzwischen Ansätze, Cloud Computing in der öffentlichen Verwaltung zu nutzen. In Deutschland gibt es bisher keine konkreten Anwendungsbeispiele. Komplexe Rechtsfragen zur Vertragsgestaltung, zum Urheberrecht, zu IT-Sicherheit und zum Datenschutz stehen einer stärkeren Nutzung von Cloud Computing entgegen. Auch europäische Standards sind zu berücksichtigen (z. B. im Rahmen des European Interoperability Framework). Das Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme untersucht in Zusammenarbeit mit der Hertie School of Governance in Berlin gegenwärtig die Anwendungsmöglichkeiten von Cloud Computing-Architekturen für den deutschen öffentlichen Sektor. Auch die am 4. März 2010 vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ wird sich voraussichtlich mit diesem Thema beschäftigen (BT-Plenarprotokoll 17/27: 2383ff.).
Quelle
- Cloud Computing – Deutscher Bundestag
One reply on “Cloud Computing im Deutschen Bundestag”
Das ist typisch deutsch und gründlich ausgearbeitet – natürlich mit Fokus auf die Bedeutung für eine politische Positionierung und Entscheidungsfindung. Im übrigen interessant: Hier wird die Definition des Bitkom vewendet ;-))
Ich weiß, wir sind hintendran. Aber ich finde es klasse, dass der Bundestag das Thema bearbeitet.
Gruß
Martin Reti