Ich hatte in diesem Jahr die Ehre die CEO Couch des Open-Xchange Summit 2013 zu moderieren. Dabei handelt es sich um ein Format, bei der Top CEOs mit provokanten Fragen konfrontiert werden und zu einem bestimmten Thema auf den Punkt antworten. Zum meinen Gästen gehörten Hermann-Josef Lamberti (EADS), Dr. Marten Schönherr (Deutsche Telekom Laboratories), Herbert Bockers (Dimension Data) und Rafael Laguna (Open-Xchange). Das Hauptthema in diesem Jahr war Cloud Computing und wie sich deutsche und europäische Anbieter gegen die vermeintlich übermächtige Konkurrenz aus den USA behaupten sollten. Ich habe zwei Aussagen herausgegriffen die während der CEO Couch genannt wurden, die ich kritisch diskutieren möchte.
Amazon ist nur ein Webshop!
Eine Aussage hat mir Sorgenfalten bereitet. Denn zum einen hatte bereits VMware damit unterstrichen, dass sie ihren vermeintlich größten Mitbewerber scheinbar unterschätzen, zum anderen ist sie absolut falsch. Um Amazon heute immer noch als einen Webshop zu bezeichnen muss man seine Augen sehr weit schließen und in etwa 90% des Unternehmens ausblenden. Amazon ist heute mehr als ein Webshop. Amazon ist ein Technologie Unternehmen bzw. Anbieter. Rafael hat dies während seiner Keynote sehr gut dargestellt. Es gibt derzeit drei Anbieter die es geschafft haben jeweils ein eigenes geschlossenes Ökosystem von den Web-Angeboten über die Inhalte bis zu den Endgeräten aufzubauen. Dazu gehören Google, Apple und Amazon.
Neben dem Webshop Amazon.com gehören weitere Technologie-Angebote und -Services zu dem Unternehmen. Darunter die Amazon Web Services, Content Distribution für digitale Bücher, Musik und Filme (LoveFilm, Amazon Instant Video), die E-Book Reader Kindle sowie der Kindle Fire (mit einer eigenen Android Version), die Suchmaschinen A9.com, Alexa Internet und die Filmdatenbank IMDb.
Wenn man sich darüber hinaus einmal anschaut wie Jeff Bezos Amazon führt (z.B. Kindle Strategie; Verkauf zum Selbstkostenpreis; Umsatz über Inhalte), stehen bei ihm langfristiges Wachstum und Marktanteile im Vordergrund, anstatt schnelle Gewinne zu erzielen.
Wer einen guten Eindruck von Jeff Bezos’ Denkweise bekommen möchte, dem empfehle ich den Fireside Chat mit Werner Vogels auf dem 2012er AWS re: Invent. Die 40 Minuten lohnen sich.
Europa braucht größere Eier!
Die Couch war sich geschlossen einig. Obwohl Europa das Potential und die Unternehmen hat, um in der Cloud abgesehen von Datenschutzthemen auch technisch und innovativ ein Wort mitzureden, werden im Vergleich zu den USA zu kleine Brötchen gebacken oder besser ausgedrückt: “Europa braucht größere Eier.”. Das hängt zum einen mit dem Kapital zusammen, dass Investoren in den USA bereit sind zu investieren, zum anderen aber auch an der Mentalität etwas zu riskieren, zu scheitern und groß und langfristig zu denken. An dieser Stelle können europäische Unternehmer und vor allem Investoren von Jeff Bezos lernen. Es geht um den langfristigen Erfolg und nicht darum schnell Geld zu verdienen.
Das ist meiner Ansicht nach auch ein Grund, warum wir niemals ein europäisches Unternehmen sehen werden, dass z.B. den Amazon Web Services (AWS) das Wasser reichen wird. Die potentiellen Kandidaten wie T-Systems, Orange und andere große ICT-Anbieter, die über die Rechenzentren, Infrastrukturen, das Personal und notwendige Wissen verfügen, konzentrieren sich lieber auf die Zielkunden die sie seit jeher bedienen – die Unternehmenskunden. Hingegen wird die Public Cloud sowie AWS-ähnliche Services für Startups und Entwickler völlig vernachlässigt. Das ist auf der einen Seite in Ordnung, da Cloud Angebote auf Enterprise Level und Virtual Private bzw. Hosted Private Cloud Lösungen benötigt werden, um die Bedürfnisse der Unternehmenskunden zu befriedigen. Auf der anderen Seite darf man sich dann aber auch nicht wundern, dass AWS derzeit die meisten Marktanteile besitzt und als Innovationsmaschine gilt. Die bestehenden ICT-Anbieter sind nicht bereit ihre bestehenden Geschäfte zu verändern oder durch neue Modelle zu erweitern, um damit weitere für sie attraktive Zielgruppen anzusprechen.
Allerdings, wie es auch mein Freund Ben Kepes gut beschrieben hat, ist Amazon derzeit zu recht mit Abstand der Liebling und Marktführer in der Cloud. Aber es gibt noch ausreichend Platz für andere Anbieter im Markt, die Use Cases und Workloads anbieten können, die Amazon nicht bedienen kann. Oder weil sich die Kunden einfach gegen die Nutzung von AWS entscheiden, da es für sie zu kompliziert, aufwendig, zu teuer oder mit rechtlichen Themen nicht vereinbar ist.
Also Europa, legt euch größere Eier zu! Ausreichend Potential ist vorhanden. Schließlich haben Anbieter wie T-Systems, Greenqloud, UpCloud, Dimension Data, CloudSigma oder ProfitBricks konkurrenzfähige Angebote. Von Marten Schönherr habe ich erfahren, dass er mit seinem Startup dabei ist ein Chromebook ohne Chrome zu entwickeln. Mir will allerdings nicht der Gedanke aus dem Kopf gehen, dass Rafael und Open-Xchange (OX App Suite) ihre Finger da mit im Spiel haben.